Erhellend für die Frage, ob Landkreise nicht zweckgebundene Rücklagen aus Überschüssen des ordentlichen und außerordentlichen Ergebnisses bilden und ansammeln dürfen ist eine ziemlich aktuelle (Juli 2020) Antwort des Ministers des Innern und für Kommunales auf eine parlamentarische Anfrage zu den Rücklagen der brandenburgischen Landkreise.
Die Frage, ob Landkreise nicht zweckgebundene Rücklagen aus Überschüssen des ordentlichen und außerordentlichen Ergebnisses bilden und ansammeln dürfen, kann nämlich recht eindeutig mit Blick auf die Gesetzeslage beantwortet werden. Demnach die Beantwortung auf die Frage im Einklang mit den Regelungen der BbgKVerf und KomHKV steht. Dies ist insoweit nachvollziehbar, als dass es sich bei § 25 KomHKV um eine eindeutige Regelung zur Bildung von Rücklagen handelt.
In § 26 KomHKV ist explizit geregelt, wie sich der Haushaltsausgleich kommunaler Haushalte – und dazu zählen auch Kreishaushalte – gestaltet.
In den Absätzen 2 und 3 ist festgeschrieben, dass die Rücklagen aus ordentlichem und außerordentlichem Ergebnis zum Haushaltsausgleich zu verwenden sind, wenn die Erträge nicht ausreichen, um die Aufwendungen zu decken.
Die Landkreise haben zudem gem. § 130 BbgKVerf die Möglichkeit, zur Deckung ihres Finanzbedarfes eine Kreisumlage von den kreisangehörigen Gemeinden zu erheben. Insofern stellt die Kreisumlage unstreitig eine reine Fehlbedarfsfinanzierung der Landkreise durch die kreisangehörigen Gemeinden dar.
Rücklagen entstehen aus Überschüssen aus dem ordentlichen Ergebnis eines Haushaltsjahres. Die Entstehung eines Überschusses kann im Haushalt bereits planmäßig angelegt sein (vgl. den Wortlaut in § 63 Absatz 4 Satz 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg „oder übersteigt“) oder die Folge einer Planabweichung auf der Ertrags- und/oder Aufwandsseite sein. Solange die kreisangehörigen Gemeinden im Rahmen ihrer jeweiligen vorherigen Beteiligung die vom Kreistag beschlossene Höhe der Kreisumlage in der zuvor festgesetzten Höhe an den Landkreis gezahlt haben, gibt es daher keine „zu viel“ gezahlte Kreisumlage, die dann in den Folgejahre etwa durch eine niedrigere Kreisumlage auszugleichen wäre.
Es kann allenfalls aus Sicht einer Gemeinde oder eines Landkreises eine zu hohe Kreisumlage beschlossen worden sein.
Hat die Erhebung der Kreisumlage durch die Landkreise Vorrang vor der Inanspruchnahme der Rücklagen aus ordentlichem und außerordentlichen Ergebnis, um den Kreishaushalt auszugleichen?
Bei Aufstellung des Haushaltes ist gemäß § 131 Absatz 1 in Verbindung mit § 63 Absatz 4 Satz 1 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg das Ergebnis aus ordentlichen Erträgen und ordentlichen Aufwendungen in jedem Jahr unter Berücksichtigung von Fehlbeträgen aus Vorjahren in Plan und Rechnung auszugleichen.
Eine Berücksichtigung von in Vorjahren möglicherweise erzielten Überschüssen (wobei die Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre erst noch aufgestellt und geprüft werden), die dann in die Rücklagen einfließen, hat bei der Aufstellung einer Haushaltssatzung demnach zunächst nicht zwingend zu erfolgen, sondern fällt in die Entscheidungskompetenz des Kämmerers in Abstimmung mit dem/der Hauptverwaltungsbeamten/in.
- 131 Absatz 1 in Verbindung mit § 63 Absatz 5 Satz 1 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg sieht stattdessen die Verwendung von Rücklagemitteln zum Haushaltsausgleich vor, wenn der Gesamtbetrag der ordentlichen Erträge im Haushaltsjahr die Höhe des Gesamtbetrages der ordentlichen Aufwendungen desselben Jahres trotz Ausnutzung aller Sparmöglichkeiten und Ausschöpfung aller Ertragsmöglichkeiten nicht erreichen sollte.
Die Kreisumlage stellt eine solche Ertragsmöglichkeit des Landkreises dar.
Die Frage, ab welcher Höhe diese Ertragsmöglichkeit für einen Landkreis unter Berücksichtigung der Tatsache, dass den kreisangehörigen Gemeinden und Kommunen ein wirtschaftlicher Mindestrahmen zur Erfüllung der in ihrem Gebiet zu leistenden Selbstverwaltungsaufgaben im Sinne von Art. 28 Abs. 2 GG verbleiben und vom Landkreis nach der Rechtsprechung des BVerwG bei seiner Abwägung hinsichtlich der Höhe seiner Kreisumlage mit einfließen muss, richtet sich nach der zulässigen Höhe des Kreisumlagesatzes.
Das BVerwG hat diesbezüglich in seiner Entscheidung vom 41.01.2013 festgestellt, dass die Kreisumlage dann gegen den Grundsatz des Art. 28 Abs. 2 GG verstößt, wenn die gemeindliche Ebene strukturell unterfinanziert ist und die gemeindliche Steuerhoheit entwertet wird.
Beim Finanzbedarf der Aufgabenerfüllung gebe es kein „Vorrangprinzip“ zugunsten der gemeindlichen Ebene, es gelte hier der Grundsatz des finanziellen Gleichrangprinzips für das vertikale Verhältnis des umlageberechtigten Landkreises zu den umlageverpflichteten kreisangehörigen Gemeinden.
Allerdings dürfe der Landkreis sein Recht zur Erhebung der Kreisumlage nicht finanziell derart ausweiten bzw. erhöhen, dass er damit die grundsätzlich gleichrangigen Interessen seiner Gemeinden praktisch in sein Gegenteil verkehrt und ihnen keinen finanziellen Spielraum mehr lässt.
Vielmehr müssen die Gemeinden mindestens über so große Finanzmittel verfügen, dass sie ihre pflichtigen fremd-und Selbstverwaltungsaufgaben ohne auch nicht nur vorübergehende Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus auch noch über eine freie finanzielle Spitze verfügen, um zusätzlich freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber doch merklichen Umfang für ihre Einwohner vorzunehmen.
Der Landkreis kann deshalb nicht unter Verweis auf seine eigene miserable Finanzausstattung mit der Kreisumlage in den finanziellen Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung eingreifen und seine Gemeinden damit praktisch finanziell erdrosseln.
Ist seine eigene Finanzsituation unzureichend, muss sich der Kreis deshalb an das jeweilige Land wenden und dort um finanzielle Unterstützung bitten.
Der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung im Sinne von Art. 28 Abs. 2 GG wäre aber nach Auffassung des BVerwG erst dann nachhaltig verletzt, wenn die Gemeinde strukturell und auf Dauer außerstande wäre, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.
Die Frage der Bürgermeister, wie das mit den entsprechenden §§ der BbgKVerf zu vereinbaren sei, ist wie folgt zu beantworten:
Die Planung von Überschüssen verstößt nicht gegen die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg. Ein solcher Haushalt gilt als ausgeglichen (vgl. § 131 Absatz 1 in Verbindung mit § 63 Absatz 4 Satz 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg).
Dabei ist die Bildung von Rücklagen aus solchen Überschüssen gemäß § 131 Absatz 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg in Verbindung mit § 25 der Kommunalen Haushalts- und Kassenverordnung sogar gesetzlich vorgeschrieben.
Hinsichtlich der anschließenden Planung zur Verwendung solcher Rücklagen im Zuge der Haushaltsaufstellung im Verhältnis zur Ertragsmöglichkeit aus der Kreisumlage kann deshalb der Landkreis sich durch seinen Kreistag als das politische Willensbildungsgremium dazu entschließen, die aus den Überschüssen der Kreisumlagen der vergangenen Haushaltsjahre erwirtschafteten Rücklagen einem Kreisentwicklungsbudget zuzuführen und dieses dann nach einer Prioritätenliste an seine kreisangehörigen Kommunen auszuschütten.
Eine gesetzliche Verpflichtung zur Absenkung der Kreisumlage gegenüber den Kommunen besteht für den Kreis nicht, weil die Kreisumlage das einzig nennenswerte direkte Finanzierungsinstrument ist, womit der Landkreis seine ihm obliegenden Aufgaben der Daseinsvorsorge gegenüber seinen Einwohnern erfüllen kann.
Die Kreisumlage soll grundsätzlich zwei Funktionen erfüllen:
erstens eine redistributive (umverteilende) Ausgleichsfunktion im Verhältnis der umlagepflichtigen Gemeinden untereinander
und zweitens eine fiskalische Finanzierungsfunktion für die jeweiligen Kreisaufgaben.
Die umverteilende Ausgleichsfunktion soll dabei das Ziel verfolgen, die Finanzkraftunterschiede zwischen den kreisangehörigen Gemeinden abzumildern.
Dies geschieht im Wesentlichen dadurch, dass finanzstärkere Gemeinden absolut gesehen einen größeren Anteil ihrer Finanzmittel an die Kreisumlage abzuführen haben als finanzschwächere Gemeinden.
Weil die Kreisumlage das einzig nennenswert nutzbare gestaltbare Einnahmeinstrument des Landkreises darstellt, welches neben den Landeszuweisungen die Haupteinnahmequelle darstellt, muss sie entgegen ihrer ursprünglich geplanten Funktion als subsidiäres Deckungsmittel dazu herhalten, in Zeiten zunehmender neuer Aufgaben die strukturellen Defizite im Bereich der Einnahmen des Landkreises auszugleichen.
Der Landkreis kann von seinen kreisangehörigen Gemeinden eine Kreisumlage nach dem FAG erheben, wenn seine eigenen Einnahmen nicht ausreichen, um seinen Finanzbedarf zu decken.
Dem Landkreis ist deshalb neben diesem finanziellen Steuerungsinstrument die Möglichkeit verwehrt, etwa durch die Aufnahme eigener Kredite die Höhe seiner Kreisumlage abzusenken, weil die Finanzierung des Kommunalhaushalts durch Kredite kommunalpolitisch als letztrangige Einnahmequelle in Betracht kommt.
In dem Zusammenhang wäre es auch unzulässig, die Liquiditätsreserve des Landkreises anzugreifen, um so die Höhe der Kreisumlage abzusenken und damit den kreisangehörigen Gemeinden einen finanziellen Spielraum zu verschaffen. Ebenso ist der Landkreis auch gesetzlich nicht verpflichtet, sein Vermögen in Form des „Tafelsilbers“ zu veräußern, um so den Gemeinden bei der Kreisumlage entgegenzukommen.
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